Kreuzbandriss - Interview zu Ursache, Behandlung und Risiken getty images; Schreckmoment: Javi Martinez vom FC Bayern muss zieht sich einen Kreuzbandriss zu

Kreuzbandriss - Interview zu Ursache, Behandlung und Risiken

  • Redaktion
Starke Schmerzen, lange Auszeiten und die Gefahr bleibender Knieprobleme – mit einem Kreuzbandriss ist nicht zu spaßen. Wie es zu einer solchen Verletzung kommt, wann operiert werden muss und wie man sich eventuell schützen kann, erläutert Professor Dr. Sven Ostermeier, leitender Orthopäde und Knie-Spezialist der Gelenk-Klinik Gundelfingen.
Herr Professor Ostermeier, was ist eigentlich ein Kreuzbandriss?
Professor Ostermeier: Kreuzbandverletzungen entstehen durch Verdrehungen im Knie, oft in Folge von Sportunfällen. Betroffen ist meist das vordere Kreuzband. In manchen Fällen ist es komplett gerissen, in anderen sind lediglich die innersten Fasern beschädigt und die äußere Hülle ist nur gedehnt. Nicht selten ist es auch in seiner knöchernen Verankerung gelockert oder gelöst.

Welche Aufgabe haben Kreuzbänder?
Professor Ostermeier: Wie der Name schon andeutet, verlaufen die beiden Bänder „gekreuzt“ zueinander im Zentrum des Kniegelenkes und verbinden hier Oberschenkelknochen und Schienbein. Sie sorgen für Stabilität im Kniegelenk, vor allem bei großer Beschleunigung oder beim Treppenruntergehen.   
 
Wo droht ihnen die größte Gefahr?
Professor Ostermeier: Sehr oft kommt es beim Fußballspielen oder Skifahren zu einem Kreuzbandriss, wenn der Unterschenkel stark verdreht wird.

Wie äußert sich ein Kreuzbandriss?
Professor Ostermeier: Bereits beim Unfallhergang spürt der Patient ein Reißen im Knie, häufig auch mit einem hörbaren Knall. Es treten starke Schmerzen auf und das Knie schwillt schnell an. Es ist instabil und gibt beispielsweise beim Treppen abwärts gehen nach. Diese fehlende Bandfunktion lässt sich nicht durch Muskelarbeit ausgleichen. Oft sind beim Kreuzbandriss auch andere Bänder oder der Meniskus mit verletzt.
 
Wann sollte ich zum Arzt gehen?
Professor Ostermeier: Besteht der Verdacht auf einen Kreuzbandriss, etwa nach einer Verdrehung des Knies mit Schwellung und Verlust der Belastbarkeit, so sollte umgehend der Orthopäde aufgesucht werden. Das ist besonders wichtig, wenn der Patient wieder sportlich aktiv werden will. Auf keinen Fall sollte man mit Schmerzen weitertrainieren.  

Wie stellt der Arzt eine Verletzung fest?
Professor Ostermeier: Verschiedene manuelle Untersuchungen geben dem Facharzt klinische Hinweise auf eine mögliche Instabilität der gerissenen Kreuzbänder. Ein direkter Befund ist oft erst nach der Arthroskopie des Kniegelenks möglich, also der direkten Betrachtung des Kniegelenksinneren durch eine minimalinvasiv eingeführte Kamerasonde. Zur letztendlichen Bestätigung empfehlen sich bildgebende Verfahren wie etwa eine Kernspintomographie (MRT). Dabei lassen sich auch begleitende Knorpel- Knochenschäden und Meniskusrisse erkennen.
 
Wann muss operiert werden?
Professor Ostermeier: Vor allem bei jungen oder sportlichen Patienten muss die Funktion des Kreuzbandes operativ wiederhergestellt werden. Denn der Riss des vorderen Kreuzbandes kann nicht muskulär ausgeglichen werden. Wird nicht behandelt, so führt die Instabilität im Kniegelenk nach 10-15 Jahren zu Knorpelschäden und letztlich zu einer Kniearthrose. Durch Koordinationsstörungen und verminderte Kraftentfaltung ist zudem die Leistungsfähigkeit herabgesetzt. Daher wird nur bei wenig aktiven, meist älteren Patienten eine rein konservative Schienenbehandlung befürwortet.
 
Welche OP-Methoden gibt es?
Professor Ostermeier: Der Goldstandard für die Therapie der Kreuzbandruptur ist die Wiederherstellung durch eine Kreuzbandplastik (Kreuzbandrekonstruktion). Bei dieser arthroskopischen (minimalinvasiven) Operation wird das alte Kreuzband durch körpereigene Sehnen (die Gracilissehne am hinteren Oberschenkel oder das Patellasehnendrittel) ersetzt. Es wächst an der Knochenverankerung in Oberschenkel und Unterschenkel wieder ein, so dass es zum natürlichen Bestandteil des Bewegungsapparates wird. Die Heilungsphase dauert drei bis vier Monate. Ist das Kreuzband an einem Ende und nicht aus der Mitte der knöchernen Verankerung ausgerissen, kann es auch refixiert werden.

Was bedeutet das?
Professor Ostermeier: Bei einer Kreuzbandrefixation wird gerissenes Kreuzband rekonstruiert. Der Vorteil: Es muss kein Sehnenmaterial von anderer Stelle entnommen werden. Das ausgerissene Knochenfragment wird wieder am Knochen befestigt und heilt dort ein. Die Propriozeption, das heißt das „Kniegefühl”, ist unverändert, da das ursprüngliche Kreuzband anatomisch an Ort und Stelle verbleibt. Ein weiterer Vorteil: Die bei der Kreuzbandplastik unvermeidliche Schwächung der Ersatzsehne an der Entnahmestelle wird bei diesem Verfahren vermieden.   
 
Was sind die OP-Risiken?
Professor Ostermeier: In erster Linie bestehen bei allen Eingriffen die allgemeinen Operationsrisiken wie Infektionen, Nervenverletzungen und Wundheilungsstörungen. Der Patient muss wissen, dass nicht immer die vollständige Stabilität des Kniegelenkes wieder hergestellt werden kann. In seltenen Fällen kommt es zu einer eingeschränkten Streck- und Beugefähigkeit des Kniegelenkes.
 
Wird häufiger bei vorderen oder hinteren Kreuzbandrissen operiert?
Professor Ostermeier: In der Praxis kommt es in Folge von Sportverletzungen bei Tennis, Squash, Fußball, Eishockey oder Skifahren weitaus häufiger zu vorderen als zu hinteren Kreuzbandrissen. Das hintere  Kreuzband ist weitaus weniger relevant für alltägliche Bewegungsabläufe und –koordination. Wird es beschädigt, so genügen in der Regel physiotherapeutische Maßnahmen zur muskulären Stabilisation.   
 
Kann ich einem Kreuzbandriss vorbeugen?
Professor Ostermeier: Nur bedingt. Empfehlenswert ist es auf jeden Fall, vor jedem Spiel oder Training die Muskulatur genügend aufzuwärmen. Eine gut trainierte Beinmuskulatur, eine erstklassige Sportausrüstung und defensives sportliches Verhalten bieten weiteren Schutz vor Verletzungen des Kreuzbands. Meiden sollte man Bodenbeläge wie Kunstrasen, Teppich oder Stein, da sie das Risiko eines Kreuzbandrisses erhöhen.

Hinweis: Dieses Interview wurde von der Gelenk-Klinik Gundelfingen zur Verfügung gestellt. Hier gibt es weitere Informationen zu Prof. Dr. med. Ostermeier

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