Olympia damals und heute – Nils Schumann im Interview Franziska Tietjen

Olympia damals und heute – Nils Schumann im Interview

Als Nils Schumanns Lauf begann, war er 19 Jahre alt – 1997 wurde er Junioreneuropameister über 800 Meter. Drei Jahre später folgte der Höhepunkt seiner Karriere: Gold bei den Olympischen Spielen in Sydney und die Wahl zu Deutschlands Sportler des Jahres. Wie es damals war und wie Schumanns Prognose für Olympia 2016 ausfällt, erzählt er uns im Interview.
netzathleten.de: Nils, was bedeutet das Laufen für Dich? Damals und heute?
Nils Schumann: Das hat sich bei mir sehr stark geändert. Ich habe damals mit dem Laufen als Hobby begonnen, bin beispielsweise bei Volksläufen mitgelaufen. Zu meiner Jugend war die Cross-Lauf-Szene noch sehr groß, es gab deutschlandweit Cross-Lauf-Meisterschaften. Die waren hart, aber ein gutes Training für mich, da ich bemerkt hatte, dass ich gut laufe. Daraufhin habe ich mein Training auf Leistung ausgelegt. Heute hat das Laufen für mich eine andere Dimension. Natürlich ist es noch Teil meines Berufes als Personal-Lauftrainer, inzwischen steht aber eine Lebenseinstellung dahinter. Laufen heißt ja auch, dass ich etwas für meine Gesundheit tue. Ich schaffe mir dadurch Freiraum und bekomme den Kopf frei. Kurz gesagt: Der Leistungsgedanke steht nicht mehr im Vordergrund.

netzathleten.de: Was macht denn für Dich einen guten Läufer aus?
Nils Schumann: Ein guter Läufer ist der, der seinen Verstand einschaltet – er kennt seine Grenzen. Ein schlechter Läufer hingegen ist der, der immer mit dem Kopf durch die Wand geht. Ich glaube, jeder Mensch kann laufen. Ein guter Läufer kennt seinen Leistungsstand und seine Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, um das Optimum aus sich herauszuholen, ohne dass das Laufen Krampf und Zwang wird.

netzathleten.de: Was waren oder sind vielleicht auch heute noch Deine Motivationstechniken?
Nils Schumann: Ganz wichtig ist, dass man Ziele hat – und diese zum Beispiel in Schwerpunkte unterteilt. Die Hauptausrede, die ich als Trainer immer höre, ist, dass Leute keine Zeit haben. Wer sich motivieren will, muss eine klare Sichtweise haben und sich fragen: Was will ich erreichen? Hilfreich ist zudem ein strukturierter Tagesplan, um täglich kleine „Siege“ zu erringen. Morgens nach dem Aufstehen gleich ein paar Kniebeugen und kalt duschen zum Beispiel.

netzathleten.de: 2000 hast Du bei den Olympischen Spielen Gold im 800-Meter-Lauf geholt. Kannst Du den Sieg für uns noch einmal Revue passieren lassen?
Nils Schumann: Das war für mich insgesamt eine aufregende Zeit. Ich war ja erst 22 Jahre alt. Mein Ziel in Sydney war es, den Weg ins Finale zu schaffen. Dann lief es in den Vorläufen so gut, dass ich mir selbst dachte, da kommt am Ende vielleicht sogar mehr raus. Mit einem Sieg habe ich aber nicht gerechnet. Ich habe die Rennen meistens am Ende entschieden, war also immer stark im Endspurt. Im Finale lag ich erst gar nicht so gut. Dann gab es eine Rempelei vor mir und plötzlich war eine Lücke frei, ich hatte zuvor noch zwei, drei Läufer vor mir. Plötzlich hatte ich sie überholt und war ganz alleine vorne – das werde ich nie vergessen. Den Moment, wenn du im Blitzlichtgewitter auf diese riesige Zuschauermenge zuläufst. Ich habe die Ziellinie gesehen und dachte mir: Nils, jetzt kannst du Olympiasieger werden.
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netzathleten.de: 2016 finden die Olympischen Spiele in Rio statt. Welche Chancen rechnest Du den deutschen Läufern dort aus?
Nils Schumann: Deutschland ist im Moment, zumindest international, sicherlich nicht so sehr bekannt für seine schnellen Läufer. Gerade auf den langen Strecken hängt die Messlatte bei Olympia sehr hoch. Die Konkurrenz ist in den vergangenen Jahren stärker geworden. Zu meiner Zeit haben die Kenianer beispielsweise noch recht unstrukturiert trainiert. Mittlerweile ist bei ihnen kaum noch Spielraum für Fehler vorhanden. Ich bin der Auffassung, dass das Laufen oder die Leichtathletik nicht mehr den Stellenwert in Deutschland haben, den sie einmal hatten. Die Sichtbarkeit in den Medien ist weniger geworden. Trotzdem bin ich sicher, dass wir in Deutschland immer mal wieder Hoffnungsträger haben werden. Speziell für Rio vielleicht eine von den Hahner-Twins.

netzathleten.de: Hat sich zwischen Olympia 2000 und Olympia 2016 etwas verändert?
Nils Schumann: Das kann ich nur im Hinblick auf die Berichterstattung beantworten. Grundsätzlich ist Olympia immer eine Ausnahme. Vorher widmen sich die Medien eher weniger der Leichtathletik. Wenn es dann jemanden gibt, der weit vorne dabei ist, ist das Interesse der Medien auch größer – Beispiel Robert Harting. Ich denke, wie viel berichtet wird, hängt von den Personen und deren Erfolg ab.

netzathleten.de: Abschließend: Wie wirst Du die Olympischen Spiele in Rio verfolgen?
Nils Schumann: Ich werde sie wohl allein schauen. Gerade wenn mich etwas sehr interessiert, mag ich nebenbei nicht über andere Dinge reden. Ich bin daher auch kein Fan von Public Viewing. Mich interessieren natürlich insbesondere die 800 Meter. Da werde ich mir die Zeiten raussuchen und sie aufmerksam im Fernsehen verfolgen.

netzathleten.de: Vielen Dank für das Interview, Nils!

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