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Autogenes Training - Doping für die Seele?

  • Marco Heibel
Autogenes Training ist eine Entspannungstechnik, mit der sich unter anderem Stress und psychosomatische Symptome therapieren lassen. Außerdem wird das Körperempfinden verbessert und die Konzentrationsfähigkeit erhöht. Sind das nicht alles Dinge, von denen auch Sportler profitieren können?

Das Autogene Training (AT) ist eine auf Autosuggestion basierende Entspannungstechnik, die in den 1920er Jahren aus der Hypnose heraus entwickelt wurde. „Der Unterschied beim Autogenen Training zur Hypnosetherapie ist, selbst aktiv Einfluss nehmen zu können. Sich selbst mental auf etwas Erwünschtes zu programmieren heißt, sein eigenes Verhalten systematisch und zielsicher zu steuern“, sagt die Kölner Diplom-Gesundheits- und Entspannungspädagogin Petra Thomas. Einmal richtig erlernt, soll es jeder als selbsttherapeutische Maßnahme, etwa zum Stressabbau, anwenden können.

Grundlagen des Autogenen Trainings


Beim AT geht man davon aus, dass der Mensch durch Konzentration sein vegetatives Nervensystem, seine Muskeln und seinen Kreislaufs positiv beeinflussen kann. Die Übungen werden sitzend oder liegend durchgeführt und bestehen aus formelhaften Vorstellungen, die der Trainer vorgibt und die man sich anschließend selbst im Geiste vorsagt.

Die Dauer einer Übung kann je nach Trainingsfortschritt mehrere Minuten dauern. Eine komplette Trainingseinheit dauert ca. 60 Minuten. Außerhalb der Sitzungen sollte man dreimal täglich zur Vertiefung trainieren. Jede Übung sollte idealerweise dreimal am Tag 3-5 Minuten lang wiederholt werden. Einzige und zugleich unabdingbare Voraussetzung für das Autogene Training ist die Fähigkeit, sich entspannen zu können. Denn ein Erzwingen von Entspannung ist nicht möglich.


Die Unterstufe besteht aus sieben Übungen, deren Reihenfolge nicht verändert werden sollte:

Die Ruhe-Übung:

Gedachte Übungsformel: „Ich bin vollkommen ruhig.“ Die Übung bewirkt eine Beruhigung von Körper und Seele. Wichtig: Jede einzelne Übung – auch alle folgenden – werden mit der Rücknahme beschlossen ("Arme fest heranziehen und beugen!", "Tief ein- und ausatmen!", "Augen auf").

Die Schwere-Übung:

Gedachte Übungsformel: „Der rechte/linke Arm ist schwer.“ Die Übung bewirkt eine Muskelentspannung.

Die Wärme-Übung:

Gedachte Übungsformel: „Der rechte/linke Arm ist warm.“ Die Übung erweitert die Gefäße und fördert die Durchblutung. Unterstützend könnt Ihr dabei an warme Sonnenstrahlen auf der Haut denken.

Die Herz-Übung:

Gedachte Übungsformel: „Das Herz schlägt gleichmäßig und ruhig“ bzw. „Das Herz schlägt ganz ruhig und gleichmäßig.“ Ihr überlasst Euren Herzrhythmus ganz sich selbst und entspannt dabei.

Die Atem-Übung:

Formel: „Die Atmung ist gleichmäßig und ruhig.“ Ziel ist, dass Ihr Euch ’passiv’ gegenüber der Atmung verhaltet. "Es atmet mich". Ihr atmet in Eurem eigenen Rhythmus.

Die Leib-Übung/Sonnengeflecht-Übung:

Formel: „Sonnengeflecht, strömend und angenehm warm“ bzw. „Leib, strömend und angenehm warm.“ Die Bauchorgane entspannen sich.

Die Kopf-Übung/Stirn-Übung:

Formel: „Die Stirn ist angenehm kühl.“ Folge: Der Kopf wird frei, klar und wach.

Die Übungen sollten nach den Einheiten beim Therapeuten regelmäßig zu Hause wiederholt werden. Petra Thomas empfiehlt, „zwei- bis dreimal täglich etwa fünf Minuten lang zu üben.“ Wer im Autogenen Training geübt ist, kann sogar irgendwann den so genannten Generalisierungszustand erreichen: Schon beim Gedanken an Ruhe, Wärme oder Schwere wird der Körper in einen autogenen Zustand versetzt, der eine unmittelbare Entspannung und Kräftigung bietet.


Oberstufe: Klartraum und Co.


Die Oberstufe geht noch einen Schritt weiter. Hier geht es um Selbsterkenntnis, das Training ist spezifischer und individueller. Die Oberstufe sollte zunächst auch mit Hilfe eines Therapeuten erlernt werden, kann aber später für sich allein praktiziert werden. Voraussetzung ist jedoch die Beherrschung der Unterstufe. In der Oberstufe können auch Klarträume (luzide Träume) erlebt werden, die bereits in der Unterstufe in Miniversion eingesetzt werden. Der Klartraum ähnelt dem Halbschlaf, also dem Übergang vom Wachsein in den Schlafzustand: „Der Übende ist sich dessen bewusst, dass er träumt. Er fühlt sich schläfrig, kann aber das Geschehen des Traumes selbst bestimmen. Er unternimmt sozusagen eine Phantasiereise, in der er versucht, seine Bewusstheit in den Traum fließend mit hinüber zu nehmen. Zudem erinnert er sich nach dem Rückruf an seinen Traum“, erklärt Petra Thomas.

Autogenes Training: Wie können Sportler profitieren?


Sportler können von Autogenem Training profitieren: Durch die verbesserte Durchblutung etwa können sich Heilungsvorgänge beschleunigen. Durch die Entspannungsübungen könnt Ihr außerdem Eure Nervosität vor dem Wettkampf beruhigen, oder durch Erlebnisse im Klartraum Bewegungsabläufe oder Situationen visualisieren, bevor sie passieren. Hinzu kommt, dass Sportler immer an einer Leistungsverbesserung interessiert sind, dabei aber teilweise zu wenig auf ihren Körper hören. Petra Thomas präzisiert: „Durch Autogenes Training kann man auch Beschwerden abhelfen, die mit Stress einhergehen, wie etwa Magen-Darmproblemen. Außerdem können Schmerzen gedämpft, sowie die Konzentration, Atmung und das gesamte Herz-Kreislauf-System gestärkt werden.“

Fazit:

Es ist klar, dass nicht jeder Sportler für Autogenes Training geschaffen ist. Doch selbst Menschen, die von Haus aus ’Hummeln im Hintern’ haben, können von dieser Form der Trainingsergänzung profitieren. Denn innere Ruhe ist ein Fundament für alle sportlichen Aktivitäten, auch und vor allem im Vorfeld von Wettkämpfen (z.B. Fußball, Eishockey, Handball oder Marathon). Und wer für neue Einflüsse offen ist, dem sei geraten, sich einmal bei einem Fachmann über die Möglichkeiten zu erkundigen. Die meisten Therapeuten bieten eine kostenlose Erstinformation an.

Marco Heibel

Expertin: Petra Thomas, Dipl. Gesundheits- und Entspannungspädagogin, Trainerin für Gesundheitsförderung, Meridian- und Gesprächstherapeutin in Köln; www.gesundheitspraxis-thomas.de

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