Dominik Klein - Abschied einer Ikone Merle Schaack

Dominik Klein - Abschied einer Ikone

  • Frank Schneller
Der große Gala-Abschied steht noch aus, doch schon am Sonntag endete eine Ära: Die Nummer 33 ist Geschichte. Dominik Klein gab beim Saisonfinale am 5. Juni gegen den Aufsteiger aus Stuttgart seinen Ausstand beim THW Kiel. Damit verabschiedet sich einer der erfolgreichsten Handballer Deutschlands aus der Liga.
Der 32 Jahre alte Linksaußen hatte sich nach zehn Jahren Amtszeit mit seinem Arbeitgeber nicht über einen neuen Vertrag, genauer: über die Vertragsdauer, einigen können und daraus die Konsequenzen gezogen. Gemeinsam mit seiner kleinen Familie zieht er nach Frankreich. In der mittlerweile äußerst starken französischen Liga (LNH) wird er künftig für das Team von HBC Nantes spielen – Gattin Isabell, eine der besten Linkshänderinnen des Landes und jahrelang für Buxtehude und die DHB-Auswahl am Ball, unterschrieb parallel einen Vertrag beim Frauenteam von Nantes Loire Atlantique.

Wochenlang hatte der Familienrat getagt, ehe die Entscheidung feststand. An diesem Punkt der Karriere, an diesem Punkt des Lebens, sind derartige Weichenstellungen von besonderer Tragweite. Dominik Klein hatte schließlich nicht mehr nur für sich die Verantwortung. ‚Mini’, wie er in seinen ersten Kieler Jahren gerufen wurde, ist kein ‚Mini’ mehr. Er ist erwachsen. Auf dem Spielfeld. Und im Leben. Die Geburt seines Sohnes (2014) war für ihn ein weiterer Meilenstein. Und ein Einschnitt. Wer ihn und seine Frau Isabell privat erlebt, im Umgang mit dem Junior, der versteht sofort, warum die Entscheidung über die näher liegende Zukunft der Kleins eine Familienangelegenheit war und kein Entschluss, bei dem Dominik im Vordergrund stellen wollte.

Atlantikküste statt Kieler Förde – ein mutiger, aber konsequenter Schritt, nachdem der als Jungspund einst aus Großwallstadt gekommene Klein selbst entscheiden wollte, wie lange seine aktive Laufbahn noch dauern soll: Nämlich länger als nur eine Saison, wie es das Angebot des THW vorgesehen hätte. Eine Anschlussbeschäftigung in Kiel war zwar im Gespräch, doch eine konkrete Job-Beschreibung gab es offenkundig seinerzeit nicht. Zu vage alles, befanden die Kleins und wagen nun den Schritt ins Ausland.

Der THW verpflichtete Raul Santos aus Gummersbach – an ihm war der Rekordmeister schon länger interessiert, spätestens seit Klein mit einem Kreuzbandriss im letzten Jahr monatelang ausfiel. Nicht wenige Insider stellen diese Personalplanung bis heute infrage, denn Shootingstar Rune Dahmke und Routinier Klein als Tandem auf Linksaußen – das hätte weiterhin gut funktionieren können. Zumal Klein (Motto: „Come back stronger“) nach seiner Rückkehr aufs Spielfeld so stark aufspielte wie vor seiner Verletzung. Mit der zunehmenden Routine war die Gelassenheit gekommen, die ihm als Youngster beim Torwurf manchmal fehlte. Und auch das Selbstvertrauen war wieder zurück, nachdem er endlich wieder die Nummer eins auf seiner Position sein durfte – zwischenzeitlich war dem Weltmeister der routinierte Isländer Gudjon Valur Sigurdsson vor die Nase gesetzt worden, der aber hatte Kiel 2014 gen Barcelona wieder verlassen.

Doch der THW plant anders – und Klein akzeptiert diese Entscheidung, er betonte stets seine „Dankbarkeit, zehn Jahre für diesen unglaublichen Verein und vor diesem unglaublichen Publikum spielen zu dürfen“, auch wenn man ihm den nahegelegten Abschied vielleicht anders hätte verpacken können, wie Außenstehende kritisch anmerken. Kreuzbandriss, Ü30 – die Verhandlungsbasis mag nicht die beste gewesen sein, als es um seine Zukunft an der Förde ging.

In Nantes jedenfalls freut man sich auf einen taktisch versierten Spieler, der auch als Mittelmann eine gute Figur abgibt, vor allem aber – und das wird oft und gerne übersehen – deutlich abwehrstärker ist als die meisten seiner Kollegen auf der Linksaußenposition.

Kleins Abgang ist ein Verlust für den THW Kiel. Sportlich, vor allem aber auch menschlich. Nicht nur, weil er der letzte Vertreter einer Generation des Vereins war, die für die ‚guten alten Zeiten’ und für die ganz großen Triumphe stehen. Sondern vor allem auch, weil er stets zur Stelle war, wenn es um die Außendarstellung des Klubs ging – und weil er eine Integrations- und Identifikationsfigur war, wie kein anderer Kieler Spieler in den letzten Jahren. Klein strahlte nach außen stets Optimismus und – fast immer – gute Laune aus. Seine Loyalität war stets erkennbar, ja sogar spürbar – und das Publikum liebte ihn dafür. Oft genug war es Klein, auch als Bankdrücker, der die Fans aufputschte und mit seinem Herzblut selbst die zurückhaltensten Zuschauer aus der Reserve lockte. Eine solche Figur braucht der THW. Vielleicht hat auch Rune Dahmke als Eigengewächs das Zeug dazu. Auf der selben Position immerhin spielt er...

Dominik hat in seinen zehn Jahren Kiel alles gewonnen. Wirklich alles. In seiner ersten Saison gleich Meisterschaft, Pokal, Champions League – und den WM-Titel 2007. Da war er Anfang zwanzig und hatte, so Kiels Ex-Trainer Noka Serdarusic „noch alle Finger in der Steckdose“. Serdarusic war es, der Klein an die Förde holte. Was fast keiner weiß: Der Trainerfuchs hatte seinerzeit geplant, zur Saison 2006/2007 auch Uwe Gensheimer zum THW zu holen – er wollte die beiden hoffnungsvollsten Youngster auf Linksaußen zusammen unter seine Fittiche nehmen. Am Ende klappte ‚nur’ der Klein-Transfer. Und ,Mini’ legte eine spektakuläre ersten Saison aufs Parkett. Schon damals überraschte er bisweilen auch aus dem Rückraum mit seinen ansatzlosen Schlagwürfen – unter anderem im dramatischen Halbfinale in der Königsklasse gegen Portland San Antonio, als er aus akutem Personalmangel phasenweise im Angriffszentrum auftauchte. Auch in seiner letzten Saison für den Rekordmeister zeigte der in der Jugend als Spielmacher geschulte Flügelflitzer noch einmal, welch ‚gutes Auge’ er – selbst in Stresssituationen – hat für seine Auslösehandlungen und die Überraschungswürfe aus dem Rückraum.

Dominik KleinDominik Klein im DHB-Trikot (©gettyimages)

Nach der Ära Serdarusic folgte die aus Kleins Sicht noch viel längere Ära Alfred Gislasons. Der Isländer konnte stets auf Motivator Klein bauen. Klein hatte es mit Beginn seiner Kieler Zeit stets mit den ganz großen, den erfolgreichsten Figuren der Trainerzunft zu tun, rechnet man Bundestrainer Heiner Brand noch mit dazu, der ihn damals ins Nationalteam berief und ihn Teil des (WM-)Wintermärchens werden ließ. Im DHB-Dress wurden die Erfolge danach zwar spärlicher, doch im Trikot des THW reihte sich Triumph an Triumph. Achtmal Deutscher Meister, sechsmal DHB-Pokalsieger, dreimal Champions League-Sieger – und damit verbunden die legendären Feiern mit den Fans auf dem Rathausplatz, die kaum ein anderer Kieler so liebte und inbrünstig zelebrierte, wie der zuletzt dienst-älteste Akteur.

Auf den Rathaus-Balkon und danach auf die Feier-Bühne wollte er auch jetzt noch einmal, „unbedingt, verdammte Scheiße“, wie er nach dem Champions League-Viertelfinalhinspiel gegen Barcelona durchs Hallen-Mikro rief. Dieses Hinspiel gegen den Titelverteidiger (29:24) war zu einer einzigen Demonstration Kleins geworden: Er traf und traf und traf (neunmal), spielte taktisch auf allerhöchstem Niveau und war auch aufgrund seines einmal mehr demonstrierten Gespürs für geschickte, extrem clevere und vor allem höchst zuverlässige Defensivarbeit das Trumpfass des an diesem Abend als Underdog in die Partie gegangenen THW gegen das Starensemble aus Katalonien.

Doch der vierte Triumph in der Königsklasse blieb ihm verwehrt. Aufs Treppchen schaffte er es zum Abschluss nicht mehr. Kiel schaffte Barcelona, aber nicht Veszprem und Paris: Platz vier beim Final4 in Köln. Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben auf der Pressekonferenz nach dem verlorenen Halbfinale. Seine Körpersprache war in diesen Momenten laut – und eine andere als sonst. Der Strahlemann hatte ein paar Minuten Sendepause. Doch schon in der lang ausgedehnten Mixedzone auf dem Weg vom Presseraum in die Kabine hatte er sein freundliches Lächeln wiedergefunden, als selbst internationale Reporter ein Selfie mit ihm machen wollten. Spätestens in diesem Moment musste es auch dem letzten Außenstehenden – und dem letzten Verantwortlichen des Vereins – klar geworden sein: Nicht nur ein verdienter Spieler verlässt Kiel, nicht nur die Nummer 33. Sondern eine echte THW-Ikone. Einer aus der Liga Wislander, Petersen, Lövgren.

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