Warum Sponsoren - noch - nicht in führende eSport-Spiele investieren gettyimages
Nicht gesellschaftsfähig?

Warum Sponsoren - noch - nicht in führende eSport-Spiele investieren

  • Andreas Hardt und Frank Schneller (Medienmannschaft)
Sind eSport-Spiele aus Sicht potentieller Sponsoren etwa nicht gesellschaftsfähig? Sind Sie es grundsätzlich nicht und darum erst recht kein Sport? Weder im klassischen noch im künftigen Sinne? Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) jedenfalls hat einmal mehr folgende Gleichung aufgemacht: eSport = No Sport. Der Dachverband stützt sich dabei auf ein selbst in Auftrag gegebenes Gutachten. Schon deutlich länger sieht sich die (e)Sport-Welt dieser Grundsatzdiskussion gegenüber. Beide Seiten positionieren sich zunehmend leidenschaftlich in dieser auch immer komplexer werdenden Frage. Da sind Brückenbauer gefragt. Auch aus der Sponsoren-Perspektive ...
Die Gräben werden tiefer. Erst kürzlich hat der DOSB den eSport-Bund Deutschland (ESBD) mit seiner neuerlichen Feststellung, jegliches Spiel an der Konsole sei „kein Sport im Sinne des geltenden Rechts", einmal mehr verärgert. Jegliche Art von Gaming sei vielmehr Unterhaltung denn Sport. Die betreffende Stellungnahme des ESBD-Präsidenten Hans Jagnow gestaltete sich entsprechend spitz. Der DOSB müsse sich jetzt entscheiden, ob er eSport zusammen mit dem organisierten Sport gestalten oder „den Anschluss an eine zunehmend digitalisierte Gesellschaft“ verpassen wolle.

Nahezu zeitgleich bat Octagon, die global führende Beratungs- und Kreativ-Agentur im Sportsponsoring und Entertainment, in Person von Karsten Petry, Managing Director von Octagon Germany, zum Meinungsaustausch über den Sponsoring-Approach unter den aktuellen Umständen. Warum noch höhere Investitionen noch auf sich warten lassen. Und darüber, warum sich dies zeitnah ändern dürfte. Mit dabei: Thomas Röttgermann, der Vorstands-Vorsitzende von Fortuna Düsseldorf, Lucas Rachow, Vizepräsident des eSport-Verbandes WESA, und CDU-Bundestags-Mitglied Johannes Steiniger.

Status Quo ist: Das wettbewerbsmäßige Videospiel ist zum Millionengeschäft angewachsen. Allein in Deutschland erzielte die Branche im Jahr 2018 mehr als 60 Millionen Euro Umsatz. Abertausende Fans strömen zu den Events, um die Stars der Gamer-Szene live zu bestaunen. Die Arenen sind voll, die Antritts- und Preisgelder bisweilen horrend – übersteigen nicht selten jene im ‚echten’ Sport. Reizvolle Daten für Unternehmen. Zudem hatte die Bundesregierung 2018 erst die eSport-Förderung in ihrem vorläufigen Koalitionsvertrag verankert und von der „Schaffung einer olympischen Perspektive“ geschrieben. Mittlerweile verweist die Koalition indes auf die Autonomie der Sportverbände. Das politische Engagement legte sie in die Hände der Landesregierungen. Das Verharren des DOSB auf Statuten verwirkt zudem jeden Anspruch auf Gemeinnützigkeit und steuerliche Vorteile. Hinzu kommen so manche moralischen Bedenken und die offenkundigen Ungenauigkeiten in der Unterscheidung zwischen eSport und eGaming. In einer solch komplexen Gemengelage wollen und müssen sich potenzielle Sponsoren erst einmal zurechtfinden. Deren Zurückhaltung im eSport erklärt Karsten Petry unter anderem mit „einem Mix aus „Angst und Unwissenheit“ – resultierend aus der Frage, warum man wohl ‚Counter Strike’ spiele. Diese verursache Hemmschwellen.

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Karsten Petry beim SPOBIS GAMING & MEDIA im August in Köln – im Dialog mit seinen Gästen auf dem Octagon Panel (©Octagon Germany)

Sind die Games zu martialisch? Zu brutal? Schüren sie Aggressionen? Sind sie eine Gefahr? Der Octagon-Mann holt die Verantwortung zunächst einmal zurück in die Gesellschaft, in die Familie: „Es kommt darauf an, die Kinder in der Erziehung zum richtigen Umgang anzuhalten und nicht etwas zu verurteilen, nur weil ich es nicht im ersten Schritt richtig verstehe.“ Zumal: Der gerne und oft suggerierten Ansicht, Shooterspiele wie ‚Counter Strike’ würden zu Gewalt in der Gesellschaft beitragen, widersprechen ohnehin viele Fachleute. Und das scheint nicht mal eine zu steile These zu sein. Auch hierzu nämlich lassen sich Analysen, Erhebungen und Expertisen bemühen. WESA-Vize Lucas Rachow verweist auf eine neue Studie der Universität Oxford: „Shooterspiele haben keinerlei gesellschaftliche Auswirkungen. Deshalb ist fragwürdig, warum man einige Spiele ausgrenzt.“ Karsten Petry pflichtet ihm bei: „Es gibt keinerlei Erkenntnisse, die erhöhte Gewaltbereitschaft von Shooterspielern belegen. Auch nicht in den USA und in Großbritannien. Wir sind unabhängige Berater – wenn es einen Zusammenhang gäbe, würden wir unsere Kunden darauf hinweisen und es in der Branche kundtun“. Er kritisierte vielmehr die teils zu scharfe Be- und Verurteilung von Computerspielen – zum Beispiel im Vergleich mit durchaus ebenso gewaltsamen Boxkämpfen oder Filmen: „Wir sollten mit eSports genau so umgehen, wie mit anderen Entertainment-Plattformen auch. Ich bin aber der Überzeugung, die Zeit bringt das mit sich. Beim DOSB und anderen Vertretern. Die Entscheider werden jünger und deswegen bin ich überzeugt, wir werden in Zukunft mehr Sponsoren in den Top-Zehn-Spielen sehen.“

Und um welche Spiele geht’s? „Die zehn führenden eSport-Spiele sind so genannte Shooter- oder Battle-Royal-Spiele“ verdeutlicht Lucas Rachow. Das Kernproblem in der Auseinandersetzung aus seiner Sicht: „Fußball- oder Sportsimulationen sind definitiv nur in einer Nische.“ In dieser einrichten würde sich Fortuna-Chef Thomas Röttgermann: „Ich bin Befürworter der Sportsimulationen. Da ist für mich eine Nähe zum realen Fußball. Das ist für mich das einzig Logische. Ich glaube nicht, dass die Glaubwürdigkeit von Fußballvereinen groß genug ist, um eine Brücke zur anderen Zielgruppe herzustellen.“ Sportlerdenken: Auch der DOSB unterscheidet mittlerweile zwischen virtuellen Sport-Simulationen wie den Fußball- und Basketballspielen „Fifa“ und „NBA“, die „echten“ Sport real abbildeten und Vereinen Potential zur Weiterentwicklung böten, sowie den vom Verband als „eGaming“ bezeichneten sportfernen Spielen wie eben ‚Counter Strike’, ‚League of Legends’ oder ‚Dota’, die bei den Fans auf der ganzen Welt allerdings am beliebtesten sind.

Johannes Steiniger kritisiert die Aufteilung des DOSB in eGaming und eSports – und bemängelt fehlendes Gespür im Umgang mit den Jugendlichen, die zur Konsole greifen: „Ich halte es für gefährlich, dass sich der DOSB damit von einer großen, jungen Zielgruppe abwendet.“ Für den CDU-Politiker sind alle Computerspiele Sport: „Fairness, Taktik, eigenmotorische Aktivität spielen dabei schließlich eine wichtige Rolle.“ Ein Standpunkt, der allerdings auch inmitten seines Berufsstands nicht unbedingt mehrheitsfähig ist: „Zwar ist das Thema in der Politik angekommen, aber das Verständnis dafür, wie wichtig dieses Massenphänomen ist, fehlt noch bei einigen Kollegen.“ Er sieht ein Problem in der Ausgrenzung der populärsten Spiele für die Sportvereine: „Mir geht es darum, dass die Vereine nicht ihre Gemeinnützigkeit verlieren, wenn sie eine eSport-Abteilung aufbauen.“ Im Übrigen hätten „‚FIFA’ und ‚League of Legends’ mehr miteinander zu tun, als ‚FIFA’ und Fußball auf dem Sportplatz“. Ob sich Thomas Röttgermann und Gleichgesinnte davon überzeugen lassen, bleibt dahingestellt. Es darf – völlig wertfrei gemeint – bezweifelt werden. An der Sponsorenfront indes könnte diese Einschätzung als eine Art Anleitung durchaus ebenso verfangen wie der neue moralische Kompass, den inzwischen viele Branchen-Kenner anlegen.

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